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Ein bürokratischer Schildbürgerstreich

06.10.2025 Adrian Haas, Vizepräsident HEV Kanton Bern

Trotz breiter Opposition von Hauseigentümerverband, Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien wurde die kantonale Miet-Formular-Initiative Ende September 2025 knapp angenommen.

Trotz breiter Opposition von Hauseigentümerverband, Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien wurde die kantonale Miet-Formular-Initiative Ende September 2025 knapp angenommen. Das Resultat ist ernüchternd: Statt zu mehr Wohnraum oder sinkenden Mieten führt die neue Formularpflicht lediglich zu zusätzlicher Bürokratie – mit zweifelhaftem Nutzen und gewissen Risiken für Vermietende.

 

Kein zusätzlicher Mieterschutz

Die Initianten behaupteten, das amtliche Formular stärke den Mieterschutz. Dabei garantiert bereits heute das Obligationenrecht (Art. 256a Abs. 2 OR), dass Mietende beim Vertragsabschluss die Vormiete erfahren und den Anfangsmietzins anfechten können. Die neue Vorschrift bringt somit kein zusätzliches Recht – wohl aber mehr Aufwand und juristische Fallstricke: Wird das Formular falsch oder unvollständig ausgefüllt, ist der Mietvertrag bezüglich des Mietzinses nichtig. Es drohen Rückforderungen, Verfahren und Rechtsunsicherheit – selbst dann, wenn die Mietzinsgestaltung sachlich korrekt war.

 

Kein messbarer Effekt auf die Mietpreise

Die Erfahrung aus anderen Kantonen zeigt: Die Formularpflicht hat keinen belegbaren Einfluss auf die Höhe der Mietzinse. Selbst eine oft zitierte Studie des Immobilienbewertungsunternehmens IAZI wies nur einen marginalen Effekt von 2 % über acht Jahre nach – das entspricht rund drei Franken pro Monat bei einer Miete von CHF 1’250. Zudem basieren die Daten auf dem Zeitraum 1996 bis 2013. Aktuelle Belege für eine reale, dämpfende Wirkung auf die Mieten fehlen.

 

Bürokratie statt Lösungen

Was die Wohnungsknappheit wirksam lindert, ist nicht ein weiteres Formular, sondern der Ausbau des Wohnungsangebots. Genau da aber liegt das Problem: Die Bautätigkeit im Kanton Bern ist auf dem tiefsten Stand seit 2013. Die Ursachen sind bekannt – komplizierte Planungsverfahren, lange Bewilligungsfristen und eine überbordende Regulierung. Statt Vermietende mit neuen Pflichten zu belasten, braucht es Investitionsanreize und einen Abbau regulatorischer Hürden.

 

Mehr Aufwand – ohne Wirkung

Die neue Formularpflicht ist eine Scheinlösung für ein reales Problem. Sie schafft weder neue Wohnungen noch senkt sie nachweislich die Mieten. Dafür zwingt sie Vermietende, ein bürokratisches Risiko zu tragen – ohne dass Mietende tatsächlich neue Rechte erhalten. Kurz: Die Initiative ist wirkungslos. Oder wie es unser Kampagnensujet auf den Punkt brachte: «Für nüt».

 

Verführerisch verpackt

Warum hat die Stimmbevölkerung die Vorlage – trotz ihrer offensichtlichen Schwächen – dennoch knapp angenommen? Ein Blick auf die Abstimmungsfrage liefert einen möglichen Erklärungsansatz: „Wollen Sie die Volksinitiative «Für faire und bezahlbare Mieten dank transparenter Vormiete (Miet-Initiative)» annehmen?“
Wer möchte da schon Nein sagen? Faire und bezahlbare Mieten – wer wäre dagegen? Die Frage suggeriert eine einfache Lösung für ein komplexes Problem und verschleiert, dass die Initiative weder Missstände behebt noch Entlastung bringt. Stattdessen führt sie zu mehr Bürokratie, höherem Aufwand und rechtlicher Unsicherheit – ohne messbaren Nutzen.

Hinzu kommt: Die Abstimmung fiel mitten in die hitzige Debatte um die gleichentags behandelte Vorlage zum Eigenmietwert. Es liegt nahe, dass sich viele Stimmbürger kaum vertieft mit der unscheinbar wirkenden Miet-Initiative auseinandergesetzt haben – auch das dürfte zum knappen Ja beigetragen haben.

 

Fazit und Inkrafttreten

So tröstlich es klingt: Der Schaden, den diese überflüssige Vorlage anrichtet, ist wohl ebenso begrenzt wie ihr Nutzen. Doch sie bleibt ein Paradebeispiel dafür, wie mit wohlklingenden Versprechungen am Kern des Problems vorbei politisiert werden kann.

Das Datum des Inkrafttretens und des anschliessenden Beschlusses des Regierungsrates stehen bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Pflicht dürfte gemäss Gesetzesbestimmung aufgrund des niedrigen Leerwohnungsbestandes dann im gesamten Kanton gelten.

 

Adrian Haas, Vizepräsident HEV Kanton Bern